Mehr digitale Teilhabe und Inklusion in der Kommunalpolitik

Mit dem neuen Gesetz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften modernisiert Baden-Württemberg die Rahmenbedingungen für kommunalpolitisches Engagement: Hybride Ratssitzungen und Livestreaming werden nun möglich.

Mit dem neuen Gesetz zur Änderung kommunalrechtlicher und weiterer Vorschriften stärkt Baden-Württemberg die digitale und inklusive Ausrichtung der Kommunalpolitik. Drei zentrale Neuerungen stehen dabei in der GemO bzw. LkrO im Fokus:

  • Hybride Ratssitzungen dauerhaft möglich
    Kommunale Gremien können künftig dauerhaft hybride Sitzungen durchführen. Ehrenamtliche Ratsmitglieder dürfen per Video- und Tonübertragung teilnehmen und abstimmen. Ausnahmen sind Wahlen, hier sind zugeschaltete Ratsmitglieder nicht stimmberechtigt.
    Voraussetzung für hybride Sitzungen ist eine entsprechende Regelung in der Hauptsatzung der Kommune.

 

  • Livestreaming und digitale Öffentlichkeit
    Kommunen erhalten die rechtliche Grundlage, öffentliche Sitzungen per Livestream oder als Videopodcast zu übertragen. Dies schafft mehr Transparenz und stärkt die digitale Bürgerbeteiligung. Ohne entsprechende Hauptsatzungsregelung bleibt es bei der bisherigen Praxis: Film- und Tonaufnahmen sind nur mit Zustimmung aller Gremiumsmitglieder erlaubt.

 

  • Aufwandsentschädigung für Menschen mit Schwerbehinderung
    Menschen mit Schwerbehinderung, die ein kommunales Ehrenamt ausüben, erhalten künftig die durch ihre Behinderung bedingten Aufwendungen erstattet. Dies ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Barrierefreiheit und Chancengleichheit im Ehrenamt.

37a GemO Digitale Sitzungsteilnahme:
  1. Zuschaltung per Video möglich
    Mitglieder des Gemeinderats (außer dem Vorsitzenden) dürfen mit Zustimmung digital per Ton- und Bildübertragung an Sitzungen teilnehmen – sofern die Hauptsatzung dies erlaubt. Sie gelten dann als anwesend, sind aber bei geheimen Wahlen nicht stimmberechtigt.

  2. Sicht- und Hörbarkeit
    Alle Teilnehmenden – vor Ort und digital – müssen sich gegenseitig sehen und hören können. Bei öffentlichen Sitzungen müssen auch digital zugeschaltete Mitglieder für die anwesende Öffentlichkeit wahrnehmbar sein.


  3. Nichtöffentliche Sitzungen
    Zuschaltung ist auch bei nichtöffentlichen Sitzungen möglich, wenn sichergestellt ist, dass keine unbefugten Personen mithören. Auch der Vorsitzende kann in bestimmten Fällen digital teilnehmen.


  4. Technische Verantwortung der Gemeinde
    Die Gemeinde muss für stabile Technik und Datenschutz sorgen. Liegt eine technische Störung im Verantwortungsbereich der Gemeinde, darf die Sitzung nicht beginnen oder muss unterbrochen werden.


  5. Ausnahmen und Sonderfälle

    • Bei der konstituierenden Sitzung (§ 32 Abs. 1 Satz 2) ist digitale Teilnahme ausgeschlossen.
    •  begründeten Einzelfällen kann der Bürgermeister bei der Einberufung einer Sitzung die digitale Teilnahme untersagen, sofern dies in der Hauptsatzung ausdrücklich als Einschränkung vorgesehen ist. Nähere Erläuterungen zu „begründeten Einzelfällen“ siehe unten*
    • In Notlagen (z. B. Naturkatastrophen, Pandemien) kann die Hauptsatzung auch eine umfassendere digitale Teilnahme ermöglichen – inklusive des Vorsitzenden.
  • Grundsatz:
    Film- und Tonaufnahmen in öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats sind nur erlaubt, wenn alle anwesenden Ratsmitglieder zustimmen.

  • Ausnahme:
    Die Gemeinde kann in ihrer Hauptsatzung aber festlegen, dass sie selbst solche Aufnahmen zum Zweck der Veröffentlichung machen darf – z. B. für einen Livestream.
* Erläuterung zu der optionalen Einschränkung bei „begründeten Einzelfällen“:

Die Gesetzesbegründung selbst enthält keine abschließende Definition dieser Fälle. Es handelt sich bewusst um eine offen gehaltene Formulierung, um den Gemeinden Spielraum zu geben. Dennoch lassen sich aus der Gesetzesbegründung und Kommentierungen einige Beispiele und Anhaltspunkte ableiten:

Mögliche Beispiele für begründete Einzelfälle:

  1. Sitzungen mit besonders vertraulichen Inhalten, bei denen ein erhöhtes Risiko besteht, dass Dritte mithören könnten – z. B. Personalangelegenheiten oder Grundstücksverhandlungen 
  2. Technische oder organisatorische Gründe, z. B. wenn die sichere Zuschaltung nicht gewährleistet werden kann.
  3. Sitzungen mit komplexen Abstimmungen oder Diskussionen, bei denen die Präsenz für die Sitzungsdisziplin und Verständlichkeit erforderlich ist.
  4. Konstituierende Sitzungen (z. B. nach einer Wahlperiode) – hier ist die digitale Teilnahme gesetzlich ausgeschlossen 
  5. Sicherheitsbedenken, etwa bei erhöhtem Schutzbedarf der Daten oder bei Sitzungen mit externen Gästen, die nicht digital teilnehmen dürfen.

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